Grundschule: Profession unter Druck

Aus: HLZ 4/2021

Grundschullehrkräfte arbeiten professionell, reflektiert und engagiert. Trotzdem fühlen wir uns schlecht, weil wir den Kindern oft nicht gerecht werden, wie wir es nennen. Dabei wissen wir natürlich, dass es die Bedingungen sind, die den Kindern nicht gerecht werden. 

Die Anforderungen an uns Grundschullehrkräfte sind erheblich gestiegen und mit ihnen auch unsere Arbeitszeit. Wir erleben es als belastend, dass der Bildungserfolg zwangsläufig unter dem pädagogisch Möglichen bleibt und zulasten der Kinder, unserer Arbeitszufriedenheit und unserer Gesundheit geht. 

Unsere Profession wird nicht wertgeschätzt. Wir werden in Hessen immer noch schlechter bezahlt als die anderen Lehrämter. Die Kampagne „A13 für alle“, die hessische Grundschullehrkräfte in der GEW ins Leben gerufen haben, hat dazu geführt, dass inzwischen in acht Bundesländern A13 für Beamtinnen und Beamte und E13 für tarifbeschäftigte Lehrkräfte bezahlt wird oder dies beschlossen ist. Die hessische Landesregierung aber mauert.

Wertschätzung durch gerechte Bezahlung

Der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL) erklärte dem Hessischen Kultusminister im Oktober 2020 noch einmal die Profession: Grundschullehrkräfte stehen für die inklusive Beschulung der Kinder ihrer Klassen in der Verantwortung und müssen sich in sonderpädagogische Schwerpunkte einarbeiten. Sie koordinieren die Zusammenarbeit in den Klassenteams und leisten den Kompetenztransfer zwischen Grund- und Förderschullehrkraft.

Zu den anspruchsvollen Aufgaben einer Grundschullehrkraft gehören die Individualisierung, die Durchführung diagnostischer Verfahren, vorbeugende Maßnahmen, sprachsensibler Unterricht, Umgang mit Traumatisierung, Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Beratungskompetenz in der Zusammenarbeit mit Eltern, weiteren Professionen und außerschulischen Partnern. 

Wir konfrontierten Kultusminister Lorz mit einem Leitfaden seines Ministeriums, in dem die Aufgaben der Grund- und Förderschullehrkräfte bei der inklusiven Beschulung nebeneinander dargestellt sind. Abstufungen im Niveau sind dabei nicht erkennbar. 

Minister Lorz verwies daraufhin auf die Auseinandersetzung zwischen der GEW und dem Philologenverband auf Bundesebene und bemerkte, „er wolle sich da nicht reindrängen“. 

Wir sehen den Minister jedoch in der Verantwortung. Mit jeder Lehrerin, die aus Hessen abwandert, und jedem Studienanfänger, der ein anderes Lehramt wählt, wächst der Druck an den Grundschulen. Es ist schwer erträglich, dass abgeordnete Gymnasiallehrkräfte, die nach A13 bezahlt werden, von uns in grundschulpädagogischen Fragen unterstützt werden müssen.

Wir versuchen an vielen Stellen, die schwierigen Bedingungen durch unseren persönlichen Einsatz zu kompensieren, und stoßen dabei an unsere Grenzen. Große Klassen, widersprüchliche Anforderungen durch die Notwendigkeit individueller Förderung einerseits und durch standardisierte Tests andererseits, outputorientierte Steuerung, schlechte räumliche Ausstattung und unsinnige Verwaltungsvorschriften machen es uns schwer. Die Entgrenzung unserer Arbeitszeit durch die Corona-Pandemie tat ein Übriges.

Entgrenzung der Arbeitszeit in der Pandemie

Wir versuchten vieles, um die Kinder während der Pandemie durch die Zeiten der Schulschließung hindurch zu unterstützen. Wir erstellten Berge von Lernmaterialien, transportierten diese mit dem Fahrrad zu den Kindern oder verschickten sie digital, wir drehten Erklärvideos und telefonierten. Letztlich mussten wir feststellen, dass dies alles bei Kindern im Grundschulalter nur bedingt erfolgreich sein kann. 

Bindung und Beziehung litten, das Lernen von und mit anderen Kindern, das Spielen und das Leben in der Schule fehlten. Was macht unsere Profession aus? Ein Bildungsforscher beschrieb unser Tun als das „blitzschnelle Verstehen des Kindes“. Wir helfen dem Kind mit einer Geste, einem Wort, oftmals nur mit einem ermutigenden Blick, den nächsten Gedankenschritt zu gehen: Didaktik, Entwicklungspsychologie und Empathie komprimiert in einem Augenblick. 

Neben der Organisation des Distanzlernens schrieben wir im Homeoffice Konzepte und wurden überhaupt nicht fertig mit diesen entfremdeten Tätigkeiten, die so wenig befriedigend waren, weil wir nicht erlebten, was beim anderen ankam – ob bei den Kindern oder im Kollegium. Der Zusammenhalt kam uns nach und nach abhanden.

Den Zusammenhalt wieder stärken

Diesen Zusammenhalt wieder aufzubauen und der Gefahr der Entdemokratisierung entgegenzuwirken, wird eine große Aufgabe. Digitale Konferenzen waren der Not geschuldet. Die geplante Schulgesetzänderung, die ermöglichen soll, dass Gesamt- und Schulkonferenz wie auch andere Gremien in Zukunft generell digital tagen können, bedroht die Qualität unserer Arbeit (HLZ S. 34). Der lebendige Diskurs aufgeklärter Lehrkräfte, die ihre pädagogische Freiheit leben, die begründen, was sie tun und warum sie es tun, ist für eine gute Schulkultur unentbehrlich. Ganzheitliche Bildung in einer demokratischen Schule für alle Kinder, gute Bedingungen und gerechte Bezahlung für professionelle Arbeit gehören zusammen. 

Eine Senkung der Arbeitsbelastung, keine Einschränkung der pädagogischen Freiheit und „A13 für alle“ sind unsere Leitlinien, für die die GEW auch im Hauptpersonalrat eintritt. Der 13. November ist für uns zu einem festen Datum in jedem Jahr geworden - auch unter Pandemiebedingungen (https://www.gew-hessen.de/mitmachen/a-13-fuer-alle-november-2020). Die nächste A13-Aktion folgt schon bald!

Susanne Hoeth